Der Welt geht es immer besser
Die Menschen sind gesünder und leben länger - Immer mehr erhalten Zugang zu Bildung - Und auch der Umwelt geht es nicht schlecht
von Samiha Shafy
Gut, danke", antworten wir meist automatisch auf die Frage nach unserem Befinden. Und sagen damit im Grunde nichts als die Wahrheit. Denn global betrachtet geht es uns heute in vielerlei Hinsicht besser als unseren Großeltern. Wir leben im Durchschnitt länger und besser, sind gesünder, mobiler, besser ausgebildet und informierter. Trotzdem neigen Öffentlichkeit und Medien dazu, das Glas eher als halbleer denn als halbvoll zu betrachten. Schreckensnachrichten und Horrorszenarien gehören ganz selbstverständlich zu unserem Alltag.
Lebensqualität steigt weltweit
An dieser Stelle betrachten wir unseren Planeten einmal aus einem anderen, optimistischen Blickwinkel. Dabei soll nichts beschönigt oder unter den Tisch gekehrt werden. Aber wer sich die Mühe macht, die wichtigsten Kennzahlen und Fakten der Weltentwicklung genau anzusehen, stellt fest: Der Trend der letzten Jahrzehnte ist erfreulich. Dank internationaler, politischer Anstrengungen - vor allem aber auch dank gewaltiger Fortschritte von Wissenschaft, Technik und Medizin.
Am deutlichsten zeigt dies der Human Development Index (HDI) - zu deutsch Index der menschlichen Entwicklung -, der alljährlich vom Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) veröffentlicht wird. Der Index mißt die Lebensqualität in 177 Ländern der Erde anhand von Faktoren wie Lebenserwartung, Schulbildung, Armut und Analphabetismus. Am besten, so kann man im diesjährigen Entwicklungsbericht lesen, lebt es sich in Norwegen, gefolgt von Schweden und Australien. Deutschland liegt vor Spanien und Italien auf Platz 19.
Das Entscheidende aber ist: In den meisten Ländern leben die Menschen heute besser als vor zehn Jahren. Der Anteil der Weltbevölkerung, der in extremer Armut lebt, ist nach Angaben der Weltbank zwischen 1981 und 2001 von 40 auf 21 Prozent gesunken - vor allem dank des rasanten Wirtschaftswachstums in Ost- und Südasien. Auch die landwirtschaftliche Produktivität nimmt weltweit zu: Seit den siebziger Jahren hat sich die Nahrungsmittelproduktion in den Entwicklungsländern gemäß UNDP verdreifacht.
Lebenserwartung immer höher
Die Lebenserwartung ist aufgrund besserer Hygiene und medizinischer Versorgung seit den siebziger Jahren im weltweiten Durchschnitt von 59,8 auf 66,9 Jahre, also um rund sieben Jahre gestiegen. Allerdings klafft hier noch immer eine große Lücke zwischen den Ländern mit niedrigem Pro-Kopf-Einkommen (von 48,7 auf 59,2 Jahre) und den reichsten Ländern (von 71,6 auf 78,4 Jahre). Zudem gibt es eine tragische Ausnahme im positiven globalen Entwicklungstrend: Schwarzafrika. Hier nahmen Armut und Elend in den letzten Jahren zu, und das Aids-Virus wütet dort nach wie vor ungebremst.
Seuchen auf dem Rückzug
Andere Seuchen, die früher Millionen Todesopfer forderten, sind hingegen ganz oder beinahe besiegt. Gegen zahlreiche Virenerkrankungen gibt es heute wirksame Vakzine, die dank weltweiter Impfkampagnen immer mehr Menschen zur Verfügung stehen. So erklärte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Pocken 1980 für ausgerottet. Bis Ende des nächsten Jahres soll auch die Kinderlähmung eliminiert werden, die noch in einigen Ländern Afrikas auftritt. Erst vor einem Monat führte die WHO eine Impfkampagne durch, die 80 Millionen afrikanische Kinder in 23 Ländern erreichte. "Wir stehen vor Herausforderungen, aber es ist möglich, sie zu überwinden", sagt Oliver Rosenbauer von der Polio Eradication Initiative der WHO.
Dem britischen Bakteriologen Alexander Fleming (1881-1955) verdankt die Menschheit die Entdeckung des ersten Antibiotikums Penicillin, das seit 1941 gegen verschiedene bakterielle Entzündungen eingesetzt wird. Seither wurden immer besser verträgliche und spezifischer wirkende Antibiotika entwickelt. Bei der Tuberkulose, einer chronisch verlaufenden Bakterieninfektion, die jährlich rund zwei Millionen Menschenleben fordert, gibt es dank Antibiotika neue Hoffnung. Die Medikamente sind heute auch für Infizierte in den Entwicklungsländern nicht mehr unerreichbar. "Es gibt eine Generika-Kombination für zehn Dollar, die für sechs Monate reicht und die Krankheit heilen kann", erläutert Melanie Zipperer, Sprecherin der WHO. Ziel der WHO ist es, daß bis Ende 2005 weltweit 70 Prozent der Infektionen diagnostiziert und 85 Prozent der Erkrankten geheilt werden. Allerdings ist im Umgang mit der medizinischen Wunderwaffe größte Sorgfalt geboten: Weil Antibiotika oft falsch eingesetzt werden, entwickeln die Krankheitserreger zunehmend Resistenzen.
Krankheiten werden besser behandelt
Der Kampf gegen gefährliche Kleinstlebewesen ist eines der wichtigsten Kapitel in der Erfolgsgeschichte der Medizin. Ebenso entscheidend sind die enormen Fortschritte in der Diagnostik, die heute zumindest in den Industrieländern selbstverständlich sind. Mit Computertomogrammen können heute millimeterdünne Querschnittsbilder einzelner Körperteile und Organe erstellt werden. Dadurch können Knochenbrüche und Tumoren, aber auch innere Blutungen und Entzündungen rasch und exakt lokalisiert werden. Noch detailliertere, dreidimensionale Bilder lassen sich mit Kernspintomographen aufnehmen. Die sogenannte Positronen-Emissions-Tomographie (PET) macht Stoffwechselstörungen im Gehirn sichtbar, die etwa bei Depression oder Alzheimer schon in frühen Stadien auftreten können. Durch eine frühzeitige Diagnose können viele Krankheiten heute besser behandelt und geheilt werden.
Auch die Operationstechnik ist sicherer geworden: Moderne Überwachungsgeräte steuern die Dosierung von Narkosemittel und Medikamenten und kontrollieren durchgehend Beatmung und Herz-Kreislauf-Situation. Komplizierte Eingriffe wie etwa Organtransplantationen oder Herzoperationen sind heute schon beinahe Routine. Einer der häufigsten Eingriffe in Deutschland ist der Einsatz künstlicher Gelenke: Rund eine halbe Million Bundesbürger erhalten jedes Jahr neue Hüftgelenke. Vor 50 Jahren wurden die Kunstgelenke aus Elfenbein hergestellt, später aus Plexiglas. Beide Materialien waren schlecht verträglich - im Gegensatz zu den heutigen Prothesen aus speziellem Kunststoff und Metall. Diese haben eine mittlere Lebensdauer von 15 bis 20 Jahren.
Weniger Kinder sterben
All diese medizinischen Fortschritte nützen nur den Menschen in den reichen Ländern, könnte man an dieser Stelle zu Recht einwenden. Aber auch in den Entwicklungsländern trägt die Verbesserung der medizinischen Versorgung dazu bei, daß die Kindersterblichkeit sinkt und die Lebenserwartung steigt. 1970 starben gemäß UNDP in den Entwicklungsländern 108 von 1000 Kindern unter fünf Jahren, 2002 waren es 61 von 1000. Dieser Rückgang ist nicht nur auf breitangelegte Impfkampagnen, sondern auch auf eine bessere Versorgung mit sauberem Trinkwasser zurückzuführen. Nach dem Weltwasserbericht 2004 von WHO und Unicef hat sich der Anteil der Weltbevölkerung, der Zugang zu sauberem Wasser hat, von 77 Prozent im Jahr 1990 auf 83 Prozent im Jahr 2002 erhöht. Eine Milliarde Menschen trinken aber noch immer aus verschmutzten Quellen. In Schwarzafrika stieg der Anteil derjenigen mit Zugang zu sauberem Wasser nur von 49 auf 58 Prozent. Und noch immer sind Durchfallerkrankungen eine der häufigsten Todesursachen bei Kleinkindern.
Bessere Bildung
Neben der Gesundheit ist der Zugang zu Bildung eine entscheidende Voraussetzung für ein selbstbestimmtes, erfülltes Leben. Auch hier klafft noch immer ein riesiger Graben zwischen armen und reichen Ländern. Doch die Zahl der eingeschulten Kinder nimmt weltweit zu. Gemäß UNDP werden heute in Ostasien, Zentral- und Osteuropa, den Commonwealth-Staaten, Lateinamerika und der Karibik über 90 Prozent der Kinder eingeschult. In Südasien sind es 79 Prozent, in den arabischen Staaten 77 Prozent. In Schwarzafrika nahm der Anteil in den neunziger Jahren zwar um drei Prozent zu, liegt aber immer noch unter 60 Prozent. Doch selbst in den ärmsten Ländern gibt es ermutigende Beispiele: So verdoppelte Botsuana seine Einschulungsrate innerhalb von 15 Jahren.
Parallel zu den steigenden Einschulungsraten erhöht sich auch die Anzahl derjenigen, die lesen können. In den Entwicklungsländern stieg die Rate bei den 15- bis 24jährigen nach UNDP-Zahlen von 85,5 Prozent im Jahr 1990 auf 88,1 Prozent im Jahr 2002. Betrachtet man alle Altersklassen, sank der Anteil der Analphabeten in den neunziger Jahren von 25 auf 21 Prozent. Zwei von drei Analphabeten sind Frauen.
Zugleich erhalten immer mehr Menschen Zugang zu modernen Kommunikations- und Informationstechnologien. Von 1990 bis 2002 stieg der Anteil der Internet-Nutzer nach UNDP-Daten weltweit von 0,5 auf knapp 100 pro 1000 Personen.
Luft und Gewässer sind sauberer geworden
Der Menschheit mag es besser gehen, aber was ist mit der Umwelt? Angesichts des Klimawandels und der rücksichtslosen Ausbeutung natürlicher Ressourcen eine berechtigte Frage. Dennoch lassen sich auch im Umweltschutz einige positive Entwicklungen beobachten: Seit dem weltweiten FCKW-Verbot Mitte der neunziger Jahre nimmt die Konzentration der Spraydosengase in der Atmosphäre ab. Verschiedene Modelle sagen voraus, daß sich das Ozonloch bis 2050 schließen wird. "Das FCKW-Verbot ist ein Musterbeispiel für erfolgreiche, internationale Umweltpolitik", sagt Frank Hönerbach, Sprecher des Umweltbundesamts in Berlin. Ein weiterer Erfolg sei das UN/ECE-Übereinkommen über "weiträumige, grenzüberschreitende Luftverunreini- gung", das bereits vor 25 Jahren von den damaligen 34 Mitgliedsstaaten der UN-Wirtschaftskommission für Europa und von der Europäischen Gemeinschaft unterzeichnet wurde. Aus dem Übereinkommen gingen mehrere Protokolle hervor, welche die beteiligten Staaten dazu verpflichten, ihre Luftschadstoffemissionen zu reduzieren.
Auch die deutsche Umweltpolitik kann Erfolge vorweisen. Nach Daten des Statistischen Bundesamtes wurden die Treibhausgasemissionen zwischen 1991 und 2001 um 14,2 Prozent reduziert. Gleichzeitig investiert Deutschland in erneuerbare Energien, produziert weniger Luftschadstoffe und verbraucht weniger Wasser als 1991. Gewässer wie der Rhein, die Elbe und die Oder sind meßbar sauberer geworden.
Eines sollte man aber angesichts der frohen Botschaften nicht vergessen: All diese Fortschritte waren nur möglich, weil Umwelt- und Entwicklungsorganisationen unermüdlich auf die ungelösten Probleme dieser Welt hinweisen. So gesehen sind auch Schreckensmeldungen durchaus berechtigt.
Artikel erschienen am Sa, 13. November 2004
Quelle:
http://www.welt.de/data/2004/11/13/359490.html?s=1
Die Menschen sind gesünder und leben länger - Immer mehr erhalten Zugang zu Bildung - Und auch der Umwelt geht es nicht schlecht
von Samiha Shafy
Gut, danke", antworten wir meist automatisch auf die Frage nach unserem Befinden. Und sagen damit im Grunde nichts als die Wahrheit. Denn global betrachtet geht es uns heute in vielerlei Hinsicht besser als unseren Großeltern. Wir leben im Durchschnitt länger und besser, sind gesünder, mobiler, besser ausgebildet und informierter. Trotzdem neigen Öffentlichkeit und Medien dazu, das Glas eher als halbleer denn als halbvoll zu betrachten. Schreckensnachrichten und Horrorszenarien gehören ganz selbstverständlich zu unserem Alltag.
Lebensqualität steigt weltweit
An dieser Stelle betrachten wir unseren Planeten einmal aus einem anderen, optimistischen Blickwinkel. Dabei soll nichts beschönigt oder unter den Tisch gekehrt werden. Aber wer sich die Mühe macht, die wichtigsten Kennzahlen und Fakten der Weltentwicklung genau anzusehen, stellt fest: Der Trend der letzten Jahrzehnte ist erfreulich. Dank internationaler, politischer Anstrengungen - vor allem aber auch dank gewaltiger Fortschritte von Wissenschaft, Technik und Medizin.
Am deutlichsten zeigt dies der Human Development Index (HDI) - zu deutsch Index der menschlichen Entwicklung -, der alljährlich vom Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) veröffentlicht wird. Der Index mißt die Lebensqualität in 177 Ländern der Erde anhand von Faktoren wie Lebenserwartung, Schulbildung, Armut und Analphabetismus. Am besten, so kann man im diesjährigen Entwicklungsbericht lesen, lebt es sich in Norwegen, gefolgt von Schweden und Australien. Deutschland liegt vor Spanien und Italien auf Platz 19.
Das Entscheidende aber ist: In den meisten Ländern leben die Menschen heute besser als vor zehn Jahren. Der Anteil der Weltbevölkerung, der in extremer Armut lebt, ist nach Angaben der Weltbank zwischen 1981 und 2001 von 40 auf 21 Prozent gesunken - vor allem dank des rasanten Wirtschaftswachstums in Ost- und Südasien. Auch die landwirtschaftliche Produktivität nimmt weltweit zu: Seit den siebziger Jahren hat sich die Nahrungsmittelproduktion in den Entwicklungsländern gemäß UNDP verdreifacht.
Lebenserwartung immer höher
Die Lebenserwartung ist aufgrund besserer Hygiene und medizinischer Versorgung seit den siebziger Jahren im weltweiten Durchschnitt von 59,8 auf 66,9 Jahre, also um rund sieben Jahre gestiegen. Allerdings klafft hier noch immer eine große Lücke zwischen den Ländern mit niedrigem Pro-Kopf-Einkommen (von 48,7 auf 59,2 Jahre) und den reichsten Ländern (von 71,6 auf 78,4 Jahre). Zudem gibt es eine tragische Ausnahme im positiven globalen Entwicklungstrend: Schwarzafrika. Hier nahmen Armut und Elend in den letzten Jahren zu, und das Aids-Virus wütet dort nach wie vor ungebremst.
Seuchen auf dem Rückzug
Andere Seuchen, die früher Millionen Todesopfer forderten, sind hingegen ganz oder beinahe besiegt. Gegen zahlreiche Virenerkrankungen gibt es heute wirksame Vakzine, die dank weltweiter Impfkampagnen immer mehr Menschen zur Verfügung stehen. So erklärte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Pocken 1980 für ausgerottet. Bis Ende des nächsten Jahres soll auch die Kinderlähmung eliminiert werden, die noch in einigen Ländern Afrikas auftritt. Erst vor einem Monat führte die WHO eine Impfkampagne durch, die 80 Millionen afrikanische Kinder in 23 Ländern erreichte. "Wir stehen vor Herausforderungen, aber es ist möglich, sie zu überwinden", sagt Oliver Rosenbauer von der Polio Eradication Initiative der WHO.
Dem britischen Bakteriologen Alexander Fleming (1881-1955) verdankt die Menschheit die Entdeckung des ersten Antibiotikums Penicillin, das seit 1941 gegen verschiedene bakterielle Entzündungen eingesetzt wird. Seither wurden immer besser verträgliche und spezifischer wirkende Antibiotika entwickelt. Bei der Tuberkulose, einer chronisch verlaufenden Bakterieninfektion, die jährlich rund zwei Millionen Menschenleben fordert, gibt es dank Antibiotika neue Hoffnung. Die Medikamente sind heute auch für Infizierte in den Entwicklungsländern nicht mehr unerreichbar. "Es gibt eine Generika-Kombination für zehn Dollar, die für sechs Monate reicht und die Krankheit heilen kann", erläutert Melanie Zipperer, Sprecherin der WHO. Ziel der WHO ist es, daß bis Ende 2005 weltweit 70 Prozent der Infektionen diagnostiziert und 85 Prozent der Erkrankten geheilt werden. Allerdings ist im Umgang mit der medizinischen Wunderwaffe größte Sorgfalt geboten: Weil Antibiotika oft falsch eingesetzt werden, entwickeln die Krankheitserreger zunehmend Resistenzen.
Krankheiten werden besser behandelt
Der Kampf gegen gefährliche Kleinstlebewesen ist eines der wichtigsten Kapitel in der Erfolgsgeschichte der Medizin. Ebenso entscheidend sind die enormen Fortschritte in der Diagnostik, die heute zumindest in den Industrieländern selbstverständlich sind. Mit Computertomogrammen können heute millimeterdünne Querschnittsbilder einzelner Körperteile und Organe erstellt werden. Dadurch können Knochenbrüche und Tumoren, aber auch innere Blutungen und Entzündungen rasch und exakt lokalisiert werden. Noch detailliertere, dreidimensionale Bilder lassen sich mit Kernspintomographen aufnehmen. Die sogenannte Positronen-Emissions-Tomographie (PET) macht Stoffwechselstörungen im Gehirn sichtbar, die etwa bei Depression oder Alzheimer schon in frühen Stadien auftreten können. Durch eine frühzeitige Diagnose können viele Krankheiten heute besser behandelt und geheilt werden.
Auch die Operationstechnik ist sicherer geworden: Moderne Überwachungsgeräte steuern die Dosierung von Narkosemittel und Medikamenten und kontrollieren durchgehend Beatmung und Herz-Kreislauf-Situation. Komplizierte Eingriffe wie etwa Organtransplantationen oder Herzoperationen sind heute schon beinahe Routine. Einer der häufigsten Eingriffe in Deutschland ist der Einsatz künstlicher Gelenke: Rund eine halbe Million Bundesbürger erhalten jedes Jahr neue Hüftgelenke. Vor 50 Jahren wurden die Kunstgelenke aus Elfenbein hergestellt, später aus Plexiglas. Beide Materialien waren schlecht verträglich - im Gegensatz zu den heutigen Prothesen aus speziellem Kunststoff und Metall. Diese haben eine mittlere Lebensdauer von 15 bis 20 Jahren.
Weniger Kinder sterben
All diese medizinischen Fortschritte nützen nur den Menschen in den reichen Ländern, könnte man an dieser Stelle zu Recht einwenden. Aber auch in den Entwicklungsländern trägt die Verbesserung der medizinischen Versorgung dazu bei, daß die Kindersterblichkeit sinkt und die Lebenserwartung steigt. 1970 starben gemäß UNDP in den Entwicklungsländern 108 von 1000 Kindern unter fünf Jahren, 2002 waren es 61 von 1000. Dieser Rückgang ist nicht nur auf breitangelegte Impfkampagnen, sondern auch auf eine bessere Versorgung mit sauberem Trinkwasser zurückzuführen. Nach dem Weltwasserbericht 2004 von WHO und Unicef hat sich der Anteil der Weltbevölkerung, der Zugang zu sauberem Wasser hat, von 77 Prozent im Jahr 1990 auf 83 Prozent im Jahr 2002 erhöht. Eine Milliarde Menschen trinken aber noch immer aus verschmutzten Quellen. In Schwarzafrika stieg der Anteil derjenigen mit Zugang zu sauberem Wasser nur von 49 auf 58 Prozent. Und noch immer sind Durchfallerkrankungen eine der häufigsten Todesursachen bei Kleinkindern.
Bessere Bildung
Neben der Gesundheit ist der Zugang zu Bildung eine entscheidende Voraussetzung für ein selbstbestimmtes, erfülltes Leben. Auch hier klafft noch immer ein riesiger Graben zwischen armen und reichen Ländern. Doch die Zahl der eingeschulten Kinder nimmt weltweit zu. Gemäß UNDP werden heute in Ostasien, Zentral- und Osteuropa, den Commonwealth-Staaten, Lateinamerika und der Karibik über 90 Prozent der Kinder eingeschult. In Südasien sind es 79 Prozent, in den arabischen Staaten 77 Prozent. In Schwarzafrika nahm der Anteil in den neunziger Jahren zwar um drei Prozent zu, liegt aber immer noch unter 60 Prozent. Doch selbst in den ärmsten Ländern gibt es ermutigende Beispiele: So verdoppelte Botsuana seine Einschulungsrate innerhalb von 15 Jahren.
Parallel zu den steigenden Einschulungsraten erhöht sich auch die Anzahl derjenigen, die lesen können. In den Entwicklungsländern stieg die Rate bei den 15- bis 24jährigen nach UNDP-Zahlen von 85,5 Prozent im Jahr 1990 auf 88,1 Prozent im Jahr 2002. Betrachtet man alle Altersklassen, sank der Anteil der Analphabeten in den neunziger Jahren von 25 auf 21 Prozent. Zwei von drei Analphabeten sind Frauen.
Zugleich erhalten immer mehr Menschen Zugang zu modernen Kommunikations- und Informationstechnologien. Von 1990 bis 2002 stieg der Anteil der Internet-Nutzer nach UNDP-Daten weltweit von 0,5 auf knapp 100 pro 1000 Personen.
Luft und Gewässer sind sauberer geworden
Der Menschheit mag es besser gehen, aber was ist mit der Umwelt? Angesichts des Klimawandels und der rücksichtslosen Ausbeutung natürlicher Ressourcen eine berechtigte Frage. Dennoch lassen sich auch im Umweltschutz einige positive Entwicklungen beobachten: Seit dem weltweiten FCKW-Verbot Mitte der neunziger Jahre nimmt die Konzentration der Spraydosengase in der Atmosphäre ab. Verschiedene Modelle sagen voraus, daß sich das Ozonloch bis 2050 schließen wird. "Das FCKW-Verbot ist ein Musterbeispiel für erfolgreiche, internationale Umweltpolitik", sagt Frank Hönerbach, Sprecher des Umweltbundesamts in Berlin. Ein weiterer Erfolg sei das UN/ECE-Übereinkommen über "weiträumige, grenzüberschreitende Luftverunreini- gung", das bereits vor 25 Jahren von den damaligen 34 Mitgliedsstaaten der UN-Wirtschaftskommission für Europa und von der Europäischen Gemeinschaft unterzeichnet wurde. Aus dem Übereinkommen gingen mehrere Protokolle hervor, welche die beteiligten Staaten dazu verpflichten, ihre Luftschadstoffemissionen zu reduzieren.
Auch die deutsche Umweltpolitik kann Erfolge vorweisen. Nach Daten des Statistischen Bundesamtes wurden die Treibhausgasemissionen zwischen 1991 und 2001 um 14,2 Prozent reduziert. Gleichzeitig investiert Deutschland in erneuerbare Energien, produziert weniger Luftschadstoffe und verbraucht weniger Wasser als 1991. Gewässer wie der Rhein, die Elbe und die Oder sind meßbar sauberer geworden.
Eines sollte man aber angesichts der frohen Botschaften nicht vergessen: All diese Fortschritte waren nur möglich, weil Umwelt- und Entwicklungsorganisationen unermüdlich auf die ungelösten Probleme dieser Welt hinweisen. So gesehen sind auch Schreckensmeldungen durchaus berechtigt.
Artikel erschienen am Sa, 13. November 2004
Quelle:
http://www.welt.de/data/2004/11/13/359490.html?s=1