Doresh
Forenpuschel
- Mitglied seit
- 04.02.2005
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Vor dem großen Server-Crash arbeitete ich an einem Dynasty Warriors 5 Review, aber da Weihnachten nun in bedrohliche Nähe gerückt ist, wollte ich zuerst ein anderes Review vorschieben, dass ich schon seit einer Weile geplant habe:
Der Satoshi Kon Review-Marathon
Satoshi Kon war einer der ganz großen Anime-Regisseure. Fernab aller gängigen Anime-Klischees erschuf er wahre Meisterwerke der Animation, die sich vor Realfilmen nicht zu verstecken brauchen.
Leider verstarb er - wie man anderer großer Künstler - viel zu früh: Im August dieses Jahres erlag er im Alter von 46 Jahren einem Bauchspeicheldrüsenkrebs-Leiden.
Ich wurde erst vor wenigen Jahren auf seine Filme aufmerksam, aber ein kurzer Trip durch seine Filmographie war genug, um ihn zu meinem Lieblings-Anime-Regisseur zu machen. Umso mehr schmerzt mich sein Tod.
Daher habe ich mir vorgenommen, einen kurzen Blick auf all seine Filme zu werfen. Warum nur kurz? Weil man sie nur unzureichend in Worte fassen kann, darum.
Leider kam ich noch nicht dazu, mir seine Animeserie "Paranoia Agent" anzugucken, aber das wird sich garantiert noch vor Ende dieses Jahres ändern.
Bevor ich anfange, möchte ich kurz das zweite Genie hinter Satoshi Kons Filme vorstellen: Susumu Hirasawa.
Hirasawa ist ein experimenteller Elektropop-Künstler, dessen Alben Kon gerne bei seiner Arbeit angehört hat. Man kann also getrost sagen, dass Hirasawas eine wichtige Inspirationsquelle für Kon war. Das ging sogar so weit, dass Kon in den gemeinsamen Filmen den Soundtrack VOR dem eigentlichen Film fertigstellen ließ.
So, und jetzt noch ein kleiner...
Einsteigerguide für Kons Filme
1. Kon hatte eine Abneigung für den klassischen, großäugigen Anime-Look. Seine Charaktere sehen daher sehr real aus, mit Ecken und Kanten. Und manchmal sind sie einfach potthässlich, wie im echten Leben.
2. Kon ist quasi der Hitchcock und Kubrik der Animewelt. Seine Filme sind daher (meist) keine leichte Kost.
3. Kons Filme sind ein bisschen wie Ghost in the Shell - nur ohne Hobby-Philosophen.
4. Die meisten seiner Protagonisten sind Frauen - und er versteht es, ihnen eine besondere Persönlichkeit zu verleihen.
Mit dieser kleinen Vorbereitung beginne ich in chronologischer Reihenfolge:
Magnetic Rose (1995 )
Der erste Teil der Kurzfilm-Trilogie "Memories" . Sind zwar alle sehr sehenswert, aber Kons Werk ist einfach der stärkste Teil der Sammlung.
Kon war hier zwar "nur" der Drehbuchautor, aber dieser Kurzfilm hat bereits alle Kon-Elemente, vom Aussehen bis zur Atmosphäre.
"Magnetic Rose" erzählt die Geschichte eines Bergungs-Raumschiffs, das einen rätselhaften Notruf empfängt. Die Quelle des Signals ist eine merkwürdige Raumstation in Form einer Rosenblüte, die verlassen zu sein scheint - oder etwas nicht...?
Obwohl "Geisterschiffe im All" kein neues Konzept ist, finde ich die Version in diesem Film sehr erfrischend: Die Raumstation hat keine rostigen Wände in verschiedenen Metalltönen und etwa halb so viele flackernden Lichter, wie eigentlich nötig wären. Stattdessen ist sie ziemlich imposant eingerichtet, wie ein Anwesen aus der Rennaissance. Und dennoch ist sie nicht minder gruselig. Und trotz der kurzen Laufzeit wird man besser unterhalten als mit manchen "richtigen" Filmen.
Kurz gesagt: Wer Geisterschiff-Filme mag, wird diesen Film lieben,
Perfect Blue (1998 )
Der erste richtige Film von Satoshi Kon - der noch dazu fast nicht entstanden wäre: Ursprünglich sollte "Perfect Blue" eine Realserie sein. Ein Erdbeben zwang das Studio dann dazu, daraus eine OVA zu machen. Letztendlich entschieden sie sich jedoch für einen Anime-Film.
Perfect Blue erzählt die Geschichte einer Popsängerin, die der kurzlebigen Musikbranche entfliehen und Schauspielerin werden will. Leider ist die ihr angebotene Rolle nicht die beste, und noch dazu findet sie ein merkwürdiegs Online-Tagebuch, dass jemand unter ihrem Namen schreibt. Schon bald beginnt sie, an ihren Verstand zu zweifeln...
Perfect Blue ist so ziemlich der Hitchock-artigste Animationsfilm, den man finden kann: Ein exzellenter Psycho-Thriller, der einen so schnell nicht loslässt. Kämpfe sind meist kurz und rar gesät, aber man fühlt jede Verletzung quasi mit.
Auch hier sind die typischen Kon-Elemente voll ausgebildet: Nicht nur, dass der Film den wohl hässlichsten Charakter der Filmgeschichte hat, er greift auch eines von Kons Lieblingsthemen auf: Die Vermischung von Fiktion und Realität - in diesem Fall in Form schleichenden Wahnsinns, der beim Zuschauer nicht spurlos vorüber geht.
Millenium Actress (2001 )
Kons erster Film mit Hirasawa als Komponisten - wodurch Bild und Ton erst recht zu Fesseln wissen.
In diesem Film geht es um eine gealterte Schauspielerin, die sich vor einigen Jahrzehnten urplötzlich aus dem Filmgeschäft und der Öffentlichkeit zurück gezogen hat.
Als ein Regisseur und großer Fan eine Dokumentation über sie drehen will, erzählt sie ihm die Geschichte ihres Lebens...
Auch hier verschiwmmen wieder Fiktion und Realität - auf anfangs höchst verwirrende Weise: Die alternde Filmdiva vermischt ihre eigene Lebensgeschichte mit ihren Filmrollen - und der Regisseur und sein mürrischer Kameramann sind "live" in diesen Flashbacks und filmen alles. Was folgt ist eine wilde Reise durch die Geschichte Japans, von der Sengoku-Ära über den Zweiten Weltkrieg bis hin zur fernen Zukunft. Die einzige Konstante ist dabei nur ihr verzweifelter Versuch, ihre große Liebe wiederzusehen...
Millenium Actress ist sicher Kons emotionalster Film, der in keiner Sammlung fehlen darf.
Tokyo Godfathers (2003 )
Drei höchst ungewöhnliche Obdachlose - ein Säufer, eine Transe und eine Ausreißerin - finden auf einem Müllhaufen ein Baby und beschließen, seine Eltern zu finden. Es folgt eine irrwitzige Odyssee durch Tokio, in der der Zufall mehr als einmal eingreifen muss...
Tokyo Godfathers ist deutlich anders wie Kons andere Werke: Es geht hier nicht um Fiktion und Realität, und der Film ist auch deutlich Familienfreundlicher.
Nichts desto trotz bietet er gute Unterhaltung: Er ist leichter zu verdauen, sehr amüsant und ein extrem guter Weihnachtsfilm ohne den ganzen Kitsch und die Moralpredigten einer Hollywood-Produktion - was recht merkwürdig ist wenn man bedenkt, dass Weihnachten für Japaner keine nicht-kommerzielle Bedeutung hat...
Jetzt, wo das Fest der Liebe näher rückt, ist dieser Film das perfekte Geschenk für Anime-Fans und solche, die es werden wollen.
Paprika (2006 )
Mittels eines neuartigen Gerätes kann man die Träume anderer Leute besuchen. Für Psychotherapheuten öffnen sich so ungeahnte Möglichkeiten, doch eines Tages werden einige Exemplare gestohlen, und bald darauf drehen die ersten Opfer durch...
"This is your Brain on Anime" heißt es im Untertitel des Films - und der Film ist nichts anderes: Ein Rausch der Bilder und Musik, mit durchgedrehten Gestalten, die höchst wunderliches Zeug von sich geben und einer bizarren Parade, in der die Zeichner quasi ALLES reingepackt haben, was ihnen grade so in den Sinn kam. Oh, und es gibt zahlreiche Filmreferenzen von Tarzan bis Pinochio.
Kons Lieblingsthema "Fiktion und Realität" ist wieder da: Diesmal verschmelzen Traum und Realität, wodurch der Film seeehr verwirrend und stellenweise arg konfus wird (na ja, immer noch besser als NGE...). Aber müssen Träume wirklich Sinn machen?
Wieder einmal ist Hirasawa für den Soundtrack verantwortlich - das Ergebnis ist einer der besten Anime-Soundtracks der letzten Jahre. Jedes einzelne Lied im Film ist ein geradezu traumhaftes Meisterwerk, vom Hauptthema zu Beginn des Films bis zu dessen grandiosen Remix, dass einen förmlich an die Credit-Sequenz fesselt.
Mein Fazit: Hirn raus, Anime rein!
Ich hoffe, dieser kleine Überblick war informativ. Möge Kons Werk nicht in Vergessenheit geraten...
Der Satoshi Kon Review-Marathon
Satoshi Kon war einer der ganz großen Anime-Regisseure. Fernab aller gängigen Anime-Klischees erschuf er wahre Meisterwerke der Animation, die sich vor Realfilmen nicht zu verstecken brauchen.
Leider verstarb er - wie man anderer großer Künstler - viel zu früh: Im August dieses Jahres erlag er im Alter von 46 Jahren einem Bauchspeicheldrüsenkrebs-Leiden.
Ich wurde erst vor wenigen Jahren auf seine Filme aufmerksam, aber ein kurzer Trip durch seine Filmographie war genug, um ihn zu meinem Lieblings-Anime-Regisseur zu machen. Umso mehr schmerzt mich sein Tod.
Daher habe ich mir vorgenommen, einen kurzen Blick auf all seine Filme zu werfen. Warum nur kurz? Weil man sie nur unzureichend in Worte fassen kann, darum.
Leider kam ich noch nicht dazu, mir seine Animeserie "Paranoia Agent" anzugucken, aber das wird sich garantiert noch vor Ende dieses Jahres ändern.
Bevor ich anfange, möchte ich kurz das zweite Genie hinter Satoshi Kons Filme vorstellen: Susumu Hirasawa.
Hirasawa ist ein experimenteller Elektropop-Künstler, dessen Alben Kon gerne bei seiner Arbeit angehört hat. Man kann also getrost sagen, dass Hirasawas eine wichtige Inspirationsquelle für Kon war. Das ging sogar so weit, dass Kon in den gemeinsamen Filmen den Soundtrack VOR dem eigentlichen Film fertigstellen ließ.
So, und jetzt noch ein kleiner...
Einsteigerguide für Kons Filme
1. Kon hatte eine Abneigung für den klassischen, großäugigen Anime-Look. Seine Charaktere sehen daher sehr real aus, mit Ecken und Kanten. Und manchmal sind sie einfach potthässlich, wie im echten Leben.
2. Kon ist quasi der Hitchcock und Kubrik der Animewelt. Seine Filme sind daher (meist) keine leichte Kost.
3. Kons Filme sind ein bisschen wie Ghost in the Shell - nur ohne Hobby-Philosophen.
4. Die meisten seiner Protagonisten sind Frauen - und er versteht es, ihnen eine besondere Persönlichkeit zu verleihen.
Mit dieser kleinen Vorbereitung beginne ich in chronologischer Reihenfolge:
Magnetic Rose (1995 )
Der erste Teil der Kurzfilm-Trilogie "Memories" . Sind zwar alle sehr sehenswert, aber Kons Werk ist einfach der stärkste Teil der Sammlung.
Kon war hier zwar "nur" der Drehbuchautor, aber dieser Kurzfilm hat bereits alle Kon-Elemente, vom Aussehen bis zur Atmosphäre.
"Magnetic Rose" erzählt die Geschichte eines Bergungs-Raumschiffs, das einen rätselhaften Notruf empfängt. Die Quelle des Signals ist eine merkwürdige Raumstation in Form einer Rosenblüte, die verlassen zu sein scheint - oder etwas nicht...?
Obwohl "Geisterschiffe im All" kein neues Konzept ist, finde ich die Version in diesem Film sehr erfrischend: Die Raumstation hat keine rostigen Wände in verschiedenen Metalltönen und etwa halb so viele flackernden Lichter, wie eigentlich nötig wären. Stattdessen ist sie ziemlich imposant eingerichtet, wie ein Anwesen aus der Rennaissance. Und dennoch ist sie nicht minder gruselig. Und trotz der kurzen Laufzeit wird man besser unterhalten als mit manchen "richtigen" Filmen.
Kurz gesagt: Wer Geisterschiff-Filme mag, wird diesen Film lieben,
Perfect Blue (1998 )
Der erste richtige Film von Satoshi Kon - der noch dazu fast nicht entstanden wäre: Ursprünglich sollte "Perfect Blue" eine Realserie sein. Ein Erdbeben zwang das Studio dann dazu, daraus eine OVA zu machen. Letztendlich entschieden sie sich jedoch für einen Anime-Film.
Perfect Blue erzählt die Geschichte einer Popsängerin, die der kurzlebigen Musikbranche entfliehen und Schauspielerin werden will. Leider ist die ihr angebotene Rolle nicht die beste, und noch dazu findet sie ein merkwürdiegs Online-Tagebuch, dass jemand unter ihrem Namen schreibt. Schon bald beginnt sie, an ihren Verstand zu zweifeln...
Perfect Blue ist so ziemlich der Hitchock-artigste Animationsfilm, den man finden kann: Ein exzellenter Psycho-Thriller, der einen so schnell nicht loslässt. Kämpfe sind meist kurz und rar gesät, aber man fühlt jede Verletzung quasi mit.
Auch hier sind die typischen Kon-Elemente voll ausgebildet: Nicht nur, dass der Film den wohl hässlichsten Charakter der Filmgeschichte hat, er greift auch eines von Kons Lieblingsthemen auf: Die Vermischung von Fiktion und Realität - in diesem Fall in Form schleichenden Wahnsinns, der beim Zuschauer nicht spurlos vorüber geht.
Millenium Actress (2001 )
Kons erster Film mit Hirasawa als Komponisten - wodurch Bild und Ton erst recht zu Fesseln wissen.
In diesem Film geht es um eine gealterte Schauspielerin, die sich vor einigen Jahrzehnten urplötzlich aus dem Filmgeschäft und der Öffentlichkeit zurück gezogen hat.
Als ein Regisseur und großer Fan eine Dokumentation über sie drehen will, erzählt sie ihm die Geschichte ihres Lebens...
Auch hier verschiwmmen wieder Fiktion und Realität - auf anfangs höchst verwirrende Weise: Die alternde Filmdiva vermischt ihre eigene Lebensgeschichte mit ihren Filmrollen - und der Regisseur und sein mürrischer Kameramann sind "live" in diesen Flashbacks und filmen alles. Was folgt ist eine wilde Reise durch die Geschichte Japans, von der Sengoku-Ära über den Zweiten Weltkrieg bis hin zur fernen Zukunft. Die einzige Konstante ist dabei nur ihr verzweifelter Versuch, ihre große Liebe wiederzusehen...
Millenium Actress ist sicher Kons emotionalster Film, der in keiner Sammlung fehlen darf.
Tokyo Godfathers (2003 )
Drei höchst ungewöhnliche Obdachlose - ein Säufer, eine Transe und eine Ausreißerin - finden auf einem Müllhaufen ein Baby und beschließen, seine Eltern zu finden. Es folgt eine irrwitzige Odyssee durch Tokio, in der der Zufall mehr als einmal eingreifen muss...
Tokyo Godfathers ist deutlich anders wie Kons andere Werke: Es geht hier nicht um Fiktion und Realität, und der Film ist auch deutlich Familienfreundlicher.
Nichts desto trotz bietet er gute Unterhaltung: Er ist leichter zu verdauen, sehr amüsant und ein extrem guter Weihnachtsfilm ohne den ganzen Kitsch und die Moralpredigten einer Hollywood-Produktion - was recht merkwürdig ist wenn man bedenkt, dass Weihnachten für Japaner keine nicht-kommerzielle Bedeutung hat...
Jetzt, wo das Fest der Liebe näher rückt, ist dieser Film das perfekte Geschenk für Anime-Fans und solche, die es werden wollen.
Paprika (2006 )
Mittels eines neuartigen Gerätes kann man die Träume anderer Leute besuchen. Für Psychotherapheuten öffnen sich so ungeahnte Möglichkeiten, doch eines Tages werden einige Exemplare gestohlen, und bald darauf drehen die ersten Opfer durch...
"This is your Brain on Anime" heißt es im Untertitel des Films - und der Film ist nichts anderes: Ein Rausch der Bilder und Musik, mit durchgedrehten Gestalten, die höchst wunderliches Zeug von sich geben und einer bizarren Parade, in der die Zeichner quasi ALLES reingepackt haben, was ihnen grade so in den Sinn kam. Oh, und es gibt zahlreiche Filmreferenzen von Tarzan bis Pinochio.
Kons Lieblingsthema "Fiktion und Realität" ist wieder da: Diesmal verschmelzen Traum und Realität, wodurch der Film seeehr verwirrend und stellenweise arg konfus wird (na ja, immer noch besser als NGE...). Aber müssen Träume wirklich Sinn machen?
Wieder einmal ist Hirasawa für den Soundtrack verantwortlich - das Ergebnis ist einer der besten Anime-Soundtracks der letzten Jahre. Jedes einzelne Lied im Film ist ein geradezu traumhaftes Meisterwerk, vom Hauptthema zu Beginn des Films bis zu dessen grandiosen Remix, dass einen förmlich an die Credit-Sequenz fesselt.
Mein Fazit: Hirn raus, Anime rein!
Ich hoffe, dieser kleine Überblick war informativ. Möge Kons Werk nicht in Vergessenheit geraten...