Satoshi Kon Review-Marathon

Doresh

Forenpuschel
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Vor dem großen Server-Crash arbeitete ich an einem Dynasty Warriors 5 Review, aber da Weihnachten nun in bedrohliche Nähe gerückt ist, wollte ich zuerst ein anderes Review vorschieben, dass ich schon seit einer Weile geplant habe:

Der Satoshi Kon Review-Marathon

Satoshi Kon war einer der ganz großen Anime-Regisseure. Fernab aller gängigen Anime-Klischees erschuf er wahre Meisterwerke der Animation, die sich vor Realfilmen nicht zu verstecken brauchen.
Leider verstarb er - wie man anderer großer Künstler - viel zu früh: Im August dieses Jahres erlag er im Alter von 46 Jahren einem Bauchspeicheldrüsenkrebs-Leiden.

Ich wurde erst vor wenigen Jahren auf seine Filme aufmerksam, aber ein kurzer Trip durch seine Filmographie war genug, um ihn zu meinem Lieblings-Anime-Regisseur zu machen. Umso mehr schmerzt mich sein Tod.
Daher habe ich mir vorgenommen, einen kurzen Blick auf all seine Filme zu werfen. Warum nur kurz? Weil man sie nur unzureichend in Worte fassen kann, darum.

Leider kam ich noch nicht dazu, mir seine Animeserie "Paranoia Agent" anzugucken, aber das wird sich garantiert noch vor Ende dieses Jahres ändern.

Bevor ich anfange, möchte ich kurz das zweite Genie hinter Satoshi Kons Filme vorstellen: Susumu Hirasawa.
Hirasawa ist ein experimenteller Elektropop-Künstler, dessen Alben Kon gerne bei seiner Arbeit angehört hat. Man kann also getrost sagen, dass Hirasawas eine wichtige Inspirationsquelle für Kon war. Das ging sogar so weit, dass Kon in den gemeinsamen Filmen den Soundtrack VOR dem eigentlichen Film fertigstellen ließ.

So, und jetzt noch ein kleiner...

Einsteigerguide für Kons Filme

1. Kon hatte eine Abneigung für den klassischen, großäugigen Anime-Look. Seine Charaktere sehen daher sehr real aus, mit Ecken und Kanten. Und manchmal sind sie einfach potthässlich, wie im echten Leben.

2. Kon ist quasi der Hitchcock und Kubrik der Animewelt. Seine Filme sind daher (meist) keine leichte Kost.

3. Kons Filme sind ein bisschen wie Ghost in the Shell - nur ohne Hobby-Philosophen.

4. Die meisten seiner Protagonisten sind Frauen - und er versteht es, ihnen eine besondere Persönlichkeit zu verleihen.

Mit dieser kleinen Vorbereitung beginne ich in chronologischer Reihenfolge:

Magnetic Rose (1995 )



Der erste Teil der Kurzfilm-Trilogie "Memories" . Sind zwar alle sehr sehenswert, aber Kons Werk ist einfach der stärkste Teil der Sammlung.
Kon war hier zwar "nur" der Drehbuchautor, aber dieser Kurzfilm hat bereits alle Kon-Elemente, vom Aussehen bis zur Atmosphäre.

"Magnetic Rose" erzählt die Geschichte eines Bergungs-Raumschiffs, das einen rätselhaften Notruf empfängt. Die Quelle des Signals ist eine merkwürdige Raumstation in Form einer Rosenblüte, die verlassen zu sein scheint - oder etwas nicht...?
Obwohl "Geisterschiffe im All" kein neues Konzept ist, finde ich die Version in diesem Film sehr erfrischend: Die Raumstation hat keine rostigen Wände in verschiedenen Metalltönen und etwa halb so viele flackernden Lichter, wie eigentlich nötig wären. Stattdessen ist sie ziemlich imposant eingerichtet, wie ein Anwesen aus der Rennaissance. Und dennoch ist sie nicht minder gruselig. Und trotz der kurzen Laufzeit wird man besser unterhalten als mit manchen "richtigen" Filmen.

Kurz gesagt: Wer Geisterschiff-Filme mag, wird diesen Film lieben,

Perfect Blue (1998 )



Der erste richtige Film von Satoshi Kon - der noch dazu fast nicht entstanden wäre: Ursprünglich sollte "Perfect Blue" eine Realserie sein. Ein Erdbeben zwang das Studio dann dazu, daraus eine OVA zu machen. Letztendlich entschieden sie sich jedoch für einen Anime-Film.

Perfect Blue erzählt die Geschichte einer Popsängerin, die der kurzlebigen Musikbranche entfliehen und Schauspielerin werden will. Leider ist die ihr angebotene Rolle nicht die beste, und noch dazu findet sie ein merkwürdiegs Online-Tagebuch, dass jemand unter ihrem Namen schreibt. Schon bald beginnt sie, an ihren Verstand zu zweifeln...

Perfect Blue ist so ziemlich der Hitchock-artigste Animationsfilm, den man finden kann: Ein exzellenter Psycho-Thriller, der einen so schnell nicht loslässt. Kämpfe sind meist kurz und rar gesät, aber man fühlt jede Verletzung quasi mit.
Auch hier sind die typischen Kon-Elemente voll ausgebildet: Nicht nur, dass der Film den wohl hässlichsten Charakter der Filmgeschichte hat, er greift auch eines von Kons Lieblingsthemen auf: Die Vermischung von Fiktion und Realität - in diesem Fall in Form schleichenden Wahnsinns, der beim Zuschauer nicht spurlos vorüber geht.

Millenium Actress (2001 )



Kons erster Film mit Hirasawa als Komponisten - wodurch Bild und Ton erst recht zu Fesseln wissen.

In diesem Film geht es um eine gealterte Schauspielerin, die sich vor einigen Jahrzehnten urplötzlich aus dem Filmgeschäft und der Öffentlichkeit zurück gezogen hat.
Als ein Regisseur und großer Fan eine Dokumentation über sie drehen will, erzählt sie ihm die Geschichte ihres Lebens...

Auch hier verschiwmmen wieder Fiktion und Realität - auf anfangs höchst verwirrende Weise: Die alternde Filmdiva vermischt ihre eigene Lebensgeschichte mit ihren Filmrollen - und der Regisseur und sein mürrischer Kameramann sind "live" in diesen Flashbacks und filmen alles. Was folgt ist eine wilde Reise durch die Geschichte Japans, von der Sengoku-Ära über den Zweiten Weltkrieg bis hin zur fernen Zukunft. Die einzige Konstante ist dabei nur ihr verzweifelter Versuch, ihre große Liebe wiederzusehen...

Millenium Actress ist sicher Kons emotionalster Film, der in keiner Sammlung fehlen darf.

Tokyo Godfathers (2003 )



Drei höchst ungewöhnliche Obdachlose - ein Säufer, eine Transe und eine Ausreißerin - finden auf einem Müllhaufen ein Baby und beschließen, seine Eltern zu finden. Es folgt eine irrwitzige Odyssee durch Tokio, in der der Zufall mehr als einmal eingreifen muss...

Tokyo Godfathers ist deutlich anders wie Kons andere Werke: Es geht hier nicht um Fiktion und Realität, und der Film ist auch deutlich Familienfreundlicher.
Nichts desto trotz bietet er gute Unterhaltung: Er ist leichter zu verdauen, sehr amüsant und ein extrem guter Weihnachtsfilm ohne den ganzen Kitsch und die Moralpredigten einer Hollywood-Produktion - was recht merkwürdig ist wenn man bedenkt, dass Weihnachten für Japaner keine nicht-kommerzielle Bedeutung hat...

Jetzt, wo das Fest der Liebe näher rückt, ist dieser Film das perfekte Geschenk für Anime-Fans und solche, die es werden wollen.

Paprika (2006 )



Mittels eines neuartigen Gerätes kann man die Träume anderer Leute besuchen. Für Psychotherapheuten öffnen sich so ungeahnte Möglichkeiten, doch eines Tages werden einige Exemplare gestohlen, und bald darauf drehen die ersten Opfer durch...

"This is your Brain on Anime" heißt es im Untertitel des Films - und der Film ist nichts anderes: Ein Rausch der Bilder und Musik, mit durchgedrehten Gestalten, die höchst wunderliches Zeug von sich geben und einer bizarren Parade, in der die Zeichner quasi ALLES reingepackt haben, was ihnen grade so in den Sinn kam. Oh, und es gibt zahlreiche Filmreferenzen von Tarzan bis Pinochio.

Kons Lieblingsthema "Fiktion und Realität" ist wieder da: Diesmal verschmelzen Traum und Realität, wodurch der Film seeehr verwirrend und stellenweise arg konfus wird (na ja, immer noch besser als NGE...). Aber müssen Träume wirklich Sinn machen?

Wieder einmal ist Hirasawa für den Soundtrack verantwortlich - das Ergebnis ist einer der besten Anime-Soundtracks der letzten Jahre. Jedes einzelne Lied im Film ist ein geradezu traumhaftes Meisterwerk, vom Hauptthema zu Beginn des Films bis zu dessen grandiosen Remix, dass einen förmlich an die Credit-Sequenz fesselt.

Mein Fazit: Hirn raus, Anime rein!

Ich hoffe, dieser kleine Überblick war informativ. Möge Kons Werk nicht in Vergessenheit geraten...
 

Rise_Against

Schwarzmaler
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Hab mir grad den Soundtrack zu Paprika angehört...lächerlich, mehr kann man dazu wohl nicht sagen.
Ich weiss auch nicht was ich dazu weiter sagen soll ausser: lächerlich, schlecht, Tokyo Hotel.
 

Kinta

Rebusmind is dead
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Bin ja nun wirklich kein Anime-Fan/-Freund, aber ich mag Filme, die Realität und Fiktion gekonnt miteinander vermischen. Werde mir vielleicht bei Gelegenheit mal was davon anschauen.
Vielen Dank für die Kurzreviews. :)

Kinta
 

Rief

Himmlischer
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Hab mir grad den Soundtrack zu Paprika angehört...lächerlich, mehr kann man dazu wohl nicht sagen.
Ich weiss auch nicht was ich dazu weiter sagen soll ausser: lächerlich, schlecht, Tokyo Hotel.
Ganz große Klasse einen Film ALLEIN am Soundtrack zu beurteilen...


Naja, sein Tot war ein Schock, machte er doch wirklich gute Filme...
Es sterben leider immer die falschen viel zu früh...

Super Reviews im übrigen^^
 
OP
OP
Doresh

Doresh

Forenpuschel
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Ganz große Klasse wenn man zu dumm zum lesen ist, da ich die Aussage von Doresh ÜBER den Soundtrack meinte und nicht den Film...
1. Nicht jeder hat den gleichen Musikgeschmack

2. Der Soundtrack funktioniert vor allem MIT dem Film. Nicht umsonst ließ Kon erst den Soundtrack fertigstellen.

3. Banause! Knüpft ihn auf :kicher: !

Und Paprika ist klasse. Okay, das Ende ist... merkwürdig, aber das kann man über Ghost in the Shell und 2001 auch behaupten ^^
 
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Lord Duran

β
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Rief schrieb:
Ganz große Klasse einen Film ALLEIN am Soundtrack zu beurteilen...
Le fabuleux destin d'Amelie Poulain hat einen HAMMER-Soundtrack und das macht den Film auch geil.
Also ich beurteile Filme oft an der Musik


@ Topic: Paprika steht schon seit geraumer Zeit auf meiner imaginären "Filme, die ich unbedingt sehen muss"-Liste, wird langsam Zeit...
 
OP
OP
Doresh

Doresh

Forenpuschel
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So, seit dieser Woche ist dieses Review Marathon endlich beendet!

Paranoia Agent (2004)



Eine Charakter-Designerin wird eines Nachts hinterrücks niedergeschlagen. Den Täter beschreibt sie als einen Jugendlichen mit goldenen Inline Skates und einem goldenen, verbogenen Baseballschläger.
Zunächst will ihr die Polizei nicht so recht glauben, doch schon bald werden immer mehr Menschen Opfer dieses "Shounen Bat"...

Was passiert, wenn ein Regisseur noch jede Menge Ideen aus früheren Filmen übrig hat und nicht möchte, dass sich das Team seines letzten Werkes (in diesem Fall Tokyo Godfathers ) schon wieder trennt? Er macht einen 13-Episoden-Anime!

Paranoia Agent ist ein episodischer Anime. Fast jede Folge konzentriert sich auf einen anderen Charakter, doch jede Episode ist ein mehr oder weniger wichtiger Teil der Gesamthandlung, die einen tieferen Blick auf die Psyche eines der Charaktere wirft.

Ich habe bereits bei meinem Review zu Magnetic Rose gesagt, dass Satoshi Kon auch in relativ kurzer Laufzeit eine unglaubliche Atmosphäre schaffen kann. Dies zeigt er in jeder einzelnen Folge von Paranoia Agent aufs Neue.

Wie in all seinen Werken gibt es Verweise auf seine früheren Filme. So gibt es das ein oder andere Cameo aus Tokyo Godfathers, und eine Folge ist im "Zuhörer in der Geschichte"-Stil von Millenium Actress gehalten. Eine der verstörensten Folgen ist sogar eine Art spirituelles Sequel zu Perfect Blue.
Ebenfalls präsent ist sein Lieblingsthema: Die Verschmelzung von Realität und Fiktion. Im Falle von Paranoia Agent kann man das sogar wörtlich nehmen, denn einige Charaktere und Szenarien sind an reale Nachrichtenmeldungen angelehnt.

Natürlich wäre Anime nicht Anime, wenn es nicht die ein oder andere Filler-Episode gäbe. Hier ist das ein Trio von unzusammenhängenden Episoden, die recht bizarr und mit schwarzem Humor gespickt sind.
Wie schwarz? Nun, eine handelt von 3 Personen, die sich übers Internet zum gemeinsammen Selbstmord verabredet haben - und das ist die mit Abstand witzigste Folge in der ganzen Serie XD

Optik

Optisch gibt es die gewohnte Kon-Qualität: die Hintergründe sind nahezu photorealistich, die Charaktere realistisch hässlich, und die Atmosphäre ist so dicht, dass man sie mit einem Messer schneiden könnte.
Mir beschleicht jedoch das Gefühl, dass einige weibliche Charaktere ein bisschen mehr wie "richtige" Anime-Charaktere aussehen, aber das tut dem allgemeinen Stil keinen Abbruch.

Akustik

Auch dieses Mal arbeitete Kon mit Susumu Hirasawa zusammen. Das Ergebnis ist wie immer ein herrlich bizarrer und unkonventioneller Soundtrack, der perfekt zur Präsentationd es Anime passt.
Nirgendwo sonst sieht man das besser als bei dem wundervoll verstörenden Opening, das im Verlauf der Serie sogar ein bisschen Sinn macht - wodurch euer Herz jedes Mal im Takt pochen wird, wenn ihr eine bestimmte Sequenz sehen werdet...

Synchro

Bisher wurde ich noch von keiner deutschen Synchro eines Kon-Films enttäuscht. Paranoia Agent ist hier nicht viel anders. Allerdings sind mir in einer Episode ein etwas deutlichere Schnitzer aufgefallen:

In Episode 4 wird Shounen Bat zweimal als "Mörder" bezeichnet. Dabei haben seine Opfer bisher alle überlebt Oo

Abgesehen davon bin ich rundum zufrieden.

Die DVD-Box

Ich hoffe, ihr mögt diese wundervollen Plastikummantelungen, denn in der großen Box mit allen Folgen ist nicht nur jede einzelne der 4 DVD-Hüllen ummantelt, sondern auch die ganze Box. Viel Spaß beim Aufmachen XD !

Extras gibt es leider nicht sooo viele: Jede DVD-Hülle kommt mit einer Postkarte, und auf jeder DVD sind Wallpapers drin.
Etwas ungewöhnliches gibt es schon (jedenfalls hab ich bisher nie so etwas bemerkt ): Mann kann sich alle 3 bis 4 Episoden auf einer DVD als eine Art Film angucken, ohne jedes Mal von Opening und Ending unterbrochen zu werden. Leider kriegt man so nichts von den scheinbar sinnfreien Vorschauen mit - die deutlich mehr Sinn machen wenn man weiß, dass jeder Charakter in der Serie nach einem Tier benannt ist...

Fazit

Urbane Legenden, Massenhysterie, Realität, Fiktion und natürlich Paranoia: In Satoshi Kons längstem Werk geht es um all das und noch viel mehr. So müssen Mysterie-Serien / Psycho-Thriller sein!
 
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