Mitleidsgefühle für Fremde?

Morage

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bestürzung und betroffenheit: vielleicht (wobei: bei vollkommen fremden personen eher nicht, ob die nun in medien oder im normalen leben auftauchen)...mitleid, wie es geht mir genau wie der person, ich fühl mich verzweifelt, wütend, ohnmächtig und kann mich in den schmerz der person hineinversetzen: nein.

z.B. meint ne arbeitskollegin immer, dass es ihr schlecht geht, wenn sie sachen wie weltspiegel guckt, wo dann fukushima, libyen, hunger auf der welt usw. thematisiert werden. ich selber registriere zwar, dass da was schlimmes passiert, mir gehts dadurch aber nicht schlechter. vlt auch, weil man - in dem fall - alles zwar schon oft genug in irgendeiner form gehört hat, allerdings selber nicht erlebt hat und auch, weil solche bilder/berichte (wobei weltspiegel ja noch relativ kompetent ist) gerade aus diesem zweck - und/oder wegen quote - gesendet werden.
 
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Dolan

The man with the Devil Luck.
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Es kommt drauf an. Klar wirft man eine Münze in der Schale eines Bettlers, andereseits, wenn ich das Leid der Welt sehe, juckt es mich nicht. Warum nicht, ich kann daran so gut wie nichts ändern (mal von spenden/dorthin reisen und helfen abgesehen). Leid geschieht nunmal, da ist Mitleid leider fehl am Platz.


Besonders krass finde ich es, wenn gesagt wird, dass Personengruppe A in Land B weniger als x Dollar am Tag haben, ohne zu sagen, was man dort für x Dollar leisten kann, was Nahrung u.ä. angeht.
 

Ashura

Amazone und Meridian Child
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Ich HABE natürlich Mitleid...heucherlischer wäre es, wenn ich sagen würde, dass viele Dinge, die ich täglich sehe, mir zur gänze am ***** vorbei gehen.
 

Kirika1987

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Wenn ich so etwas über die Medien mitbekomme, gehen solche Dinge in der Regel recht spurlos an mir vorüber. Wenn, dann kommt am ehesten bei leidenden Kindern Mitgefühl bei mir auf.
Es ist nicht so, dass ich Menschen, denen Schlimmes widerfährt, nicht bedauern würde; es ist vielmehr so, dass ich einfach nicht wüsste, wie ich konkret das Leiden lindern könnte. Es könnte allerdings auch eine Art emotionaler Selbstschutz sein.

Begegne ich jemandem auf der Straße, der bloß bettelt, fällt es mir sehr schwer, ihm etwas Gutes zu tun. Eine Obdachlosenzeitung wie Bodo dagegen nehme ich meistens, und verzichte dabei auch auf mein Wechselgeld.

Grundsätzlich erzeugen Menschen, denen ich real begegne, deutlich eher und mehr Mitleid bei mir als Menschen, denen ich nie begegnet bin. Ich persönlich vermute, dass es mit Dunbar's number zusammenhängt. Tatsächlich lassen sich mit dieser Theorie sehr viele Phänomene schlüssig erklären.
 

MicalLex

Linksverwandter Grünmensch
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So, ich greif das Thema einfach nochmal auf.

Ich denke, es ist völlig natürlich, nicht mit allem und jedem Mitleid zu haben. Zu Mitleid fähig sein ist sicher ne gute Eigenschaft, immerhin kann es ja ein Antrieb sein, anderen behilflich zu sein. Ich bin lieber solidarisch als links liegen gelassen zu werden. ;)

Man muß halt ein gutes Gleichgewicht finden, um sich selbst auch zu schützen. Kein Mensch kann alles Leid der Welt tragen, es würde ihn einfach niedermachen. Ich denke, wenn jeder seinen Beitrag leistet, ist es gut, man sollte sich nicht übernehmen.

Und wer von vornherein für nichts und niemanden Mitleid empfindet? Die Leute mag es geben (sagen ja auch einige für sich), keine Ahnung, wie man damit durchs Leben geht. Vermutlich gut, man hat dann ja keine Gewissensbisse. ;) In gewisser Weise kann man das auch steuern, glaub ich. Also nicht den Mitleidsschub an sich, aber man kann sich ja durchaus selbst überzeugen, in diesem und jenem Fall sich nicht zu viele Gedanken zu machen, weil man ja eh machtlos (oder anderes gehindert) ist.

Wie nah einem ein Schicksal geht, hängt natürlich auch davon ab, wie nah man dran ist. Und wenn irgendwas nur in den Nachrichten kommt oder man wohlmöglich nur am Rande davon hört, ist es natürlich wahrscheinlicher, daß einen das kalt läßt.
 

Biquinho

Fachteam "Spruch der Woche"
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Eigentlich ein recht aktuelles Thema, wenn ich so in andere Threads gucke ^^

Ich habe ja schon ein paar Mal geschrieben, dass ich durchaus Mitleid für völlig fremde Menschen empfinden kann. Zhao hat da auch schon treffend geschrieben, dass man so etwas eigentlich nicht an sich herankommen lassen sollte, da man irgendwann als emotionales Wrack enden kann und man sich lieber auf seine eigenen Probleme konzentrieren sollte. Die Meinung teile ich natürlich, aber manchmal gibt es auch so Momente, in denen man solche Dinge doch sogar bewusst an sich heranlässt, anstatt sie bewusst zu ignorieren. Ein guter Vergleich ist, wenn man sich irgendeinen dramatischen oder halt traurigen Film ansieht.

Ist zwar schon etwas fern vom eigentlichen Thema, aber was mich total nervt, ist Fremdschämen. Normalerweise kann ich das problemlos ignorieren, aber selten gibt es auch Momente, in denen ich mich für Dinge, die andere gesagt/getan haben, ur schäme, obwohl ich ja gar nichts damit zu tun habe. Auf jeden Fall ein dummes, grundloses Gefühl :nerv:
 
OP
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Clodia

Clodia

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Ach sieh an, ich hab ja selber noch gar kein Statement hierzu abgegeben... (@redwolf, ich habe auch erst jetzt dein Angebot, mir bei der Argumentationsfindung zu helfen, gesehen... obwohl ich hier alles gelesen hatte. Wäre damals für mich vielleicht sogar hilfreich gewesen :()

Falls es noch jemanden interessieren sollte: Der Grund für meine Threaderöffnung damals war, wie im OP angegeben, eine Diskussion mit einer Bekannten über Mitleid. Sie kam aus heiterem Himmel plötzlich mit irgendeiner Nazithematik an und wollte wissen, ob ich schon einmal in einem KZ gewesen sei. Im Grunde wollte sie darauf hinaus, wie bedrückend die Atmosphäre dort für sie gewesen war, und weil ihre Empfindungen und Meinungen selbstredend der Maßstab der Welt sind, war ich plötzlich ein Monster, als ich dazu meinte, dass mich ein Besuch im KZ eigentlich überhaupt nicht berührt hat.
Als ich dann weiterargumentierte, dass Mitgefühl für völlig unbekannte Personen zum Teil auch aus Gewissens-u. Gesellschaftsgründen entsteht, kam das brillante Gegenargument: "Aber... STELL DIR VOR DA STEHT JETZT EINE JÜDIN MIT DEM RÜCKEN ZUM ZAUN UND WEIß, DASS SIE GLEICH STERBEN WIRD!! Drei... zwei... eins... SCHUSS!! Du hast KEIN Mitleid?!"
Dabei wurde ich eindringlich angesehen.
Und egal, was ich noch gesagt habe, alles, wirklich alles wurde damit gekontert, ob ich denn nicht begreife, wie schlimm das damals alles war und dass ich mir wahrscheinlich auch gar nicht des Ausmaßes bewusst sei und ... so weiter. Bwah. Leider muss ich dazu sagen, dass ich nicht unbedingt ein Diskussionsgenie bin und mir meine Argumente in einer direkten Diskussion meist auch gar nicht so einfallen, dass ich sie verständlich ausdrücken könnte.

Im Grunde sehe ich das so wie viele andere, die hier gepostet haben: Ich empfinde wenig bis gar kein Mitleid für mir völlig fremde Personen, insbesondere dann nicht, wenn ich überhaupt keinen Bezug zu der Situation desjenigen habe. Ich weiß nicht, was für eine große Rolle mein Unterbewusstsein bei der Mitleidsfindung spielt, aber grundsätzlich kann ich ja auch nichts dafür, dass ich eben nicht mitfühle, weswegen ich Personen nicht verstehe, die eine solche Einstellung nicht tolerieren können.
Nicht mitzufühlen ist ja nicht gleichzusetzen mit etwas gutzuheißen oder einen schlimmen Umstand herabzuwürdigen, es bedeutet einfach nur, dass man mit der Situation keine persönlichen Emotionen verbindet und emotional distanziert bleibt. Und wer kann einem ernsthaft vorwerfen, mit Juden, die man nie persönlich gekannt hat, oder einem entführten Mädchen aus den Medien, das man nie persönlich gekannt hat, keine persönlichen Emotionen zu verbinden?

Betroffenheit ist auch nochmal etwas anderes als Mitleid, betroffen bin ich manchmal auch bei mir fremden Personen, aber im Grunde auch nur dann, wenn ich irgendein Gefühl wirklich nachempfinden kann. Dabei muss ich die Situation nicht erlebt haben, es reicht eine bloße Emotion, sowas wie Enttäuschung. Ich bin meistens kurz betroffen, wenn irgendeiner Person völlig aus dem Blauen heraus irgendetwas unvorhergesehen Unangenehmes passiert; vor allem, wenn ich mir dann vorstelle, dass diese Person einen bestimmten Plan von ihrem restlichen Tag hatte und dieser Plan dann ins Wasser fällt. Ich hab absolut keine Ahnung, warum ich gerade so empfindlich auf diesem Gebiet bin; aber Mitleid habe ich dann trotzdem nicht. Nur ein komisches Gefühl, wenn ich über die Situation nachdenke, eigentlich sogar relativ losgelöst von der Person, der das eigentlich passiert ist.

Aber ich denke, gerade bei Mitleidsempfindungen bei Massenkatastrophen wie eben dem zweiten Weltkrieg oder Japan spielen ein gewisses Anstandsdenken und unterbewusste "Du bist ein schlechter Mensch, wenn du kein Mitleid hast"-Gedanken eine entscheidende Rolle. Auch das schlechte Gewissen und die mediale Aufbereitung solcher Themen.
Was da noch alles so mit reinspielt und in welchem Maße die Dinge eine Rolle spielen, kann ich natürlich nicht beurteilen, aber ich bin überzeugt davon, dass Mitleid, sofern man keinen persönlichen Bezug hat, an genau diesen Fäden hängt. Vor allem bei Leuten, die dir einreden wollen, dass du gefälligst für die ganze Welt Mitleid empfinden musst...

Fazit: Solange es keine Heuchelei oder Effekthascherei (dazu Ashraks Post, den mochte ich) ist, verurteile ich keine Menschen, die selbst für die entferntesten Schicksale, ohne persönlichen Bezug, Mitleid empfinden, aber denke gleichzeitig, dass das eigentlich nicht so recht wirklich pures Mitleid ist, obwohl die Menschen selbst das vielleicht glauben.
Aber ich verurteile Menschen, die zu intolerant sind, um einzusehen, dass es auch völlig natürlich und in Ordnung ist, kein Mitleid für Fremde zu empfinden.
 

Redwolf

Folge der 8 bei den Palmen!
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Also als ich mal ein KZ besucht habe, empfand ich die Athomsphäre dort auch bedrückend. Mitleid hatte ich da eher wenig, die Vorstellung selbst in solch einem Lager eingesperrt zu sein und ähnliches erdulten zu müssen überwog.
Vielleicht bist du eher eine weniger angstgeleitete Person.
Leute sind weniger böse als dumm. Oft geht es in Diskussionen nicht um Meinungsbildung, sondern um Rechthaberrei, vor allem wenn jemand seine Meinung schon gebildet hat und sie arguementieren kann.
Wenn du sagst, du hast "kein Mitleid für Fremde in einer bestimmten Situation", hast du eigentlich schon das Stärkste Argument; dagegen kann eigentlich nicht arguementiert werden. Jede Argumentation dageben, wie die Reaktion deiner Bekannten oder mein Trollpost auf Zhaos Aussage dienen nur dazu dich aus der Reserve zu locken um zu hinterfragen, ob du wirklich so empfindest, wie du empfindest. Deine Bekannte hat es vielleicht aus Unverständnis heraus getan oder um dich zu verurteilen. Keine Emotionen zu zeigen, kann als cool wirken. "Die Person is abgeklärt, der macht das nichts aus". Da Viele einfach emotionale Kälte vortäuschen, fällt es schwerer Menschen zu verstehen, welche wirklich so fühlen, statt sich in eine Coolness-Schutzsituation zu begeben. Unsere Gesellschaft ist da ambivalent, einerseits wird emotionale Kälte gehypt, andererseits Empathielosigkeit verurteilt. Die Technik die deine Bekannte intiuitv angewand hat nennt sich Strohmann-Argument. Indirekt hat sie dir damit unterstellt, dass es dir nichts ausmachen würde, wenn neben dir jemand erschossen würde. Das du solche Gräuel nicht miterlebt hast und daher keinen Bezug dazu aufbauen kannst, fällt natürlich unter den Tisch. Jedenfalls must du dir von niemanden vorschreiben lassen, was du zu empfinden hast. Ist genauso eine Frage wie ob man die Farbe blau mag oder nicht. Es gibt Argumente für die Farbe blau, letzlich ist es aber geschmackssache und dein eigenes Ding.

@Topic

Ist die Emobewegung nicht teils aus einer Gesellschaft geboren, welche Empathie als Schwäche sieht?
 
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